Der Schneemann
Ich fahre über schneeverschneite Straßen – schnell noch einige Dinge erledigen. Vorbei an Häusern, deren Dächer weiß gedeckt zu sein scheinen. In Gedanken plane ich schon den nächsten Tag. Schneeschaufelnde Menschen mit dicken Mützen stehen am Straßenrand. Viele Gedanken in meinem Kopf, Sorgen, Ängste ….sie lassen die Schönheit der weißen Welt verschwinden – weiter zum nächsten Termin.
Zu Hause angekommen wärme ich mich an einer Tasse Kaffee. Ich sehe zum Fenster hinaus und muss schmunzeln. Ein kleiner Schneemann aus tennisballgroßen Kugeln, mit Steinchenaugen und einem krummen Stock als Nase steht auf meiner Mauer im Garten. Seinen Kopf schmückt ein Joghurtbecher.
„ Na du hast ja ein Leben!“, denke ich. „ Keine Sorgen, keine Aufgaben die erledigt werden müssen, keine Termine, keine Verpflichtungen. Könnte ich auch einen Tag lang ein Schneemann sein.“ „ Ist es denn sooo schlimm – dein Leben?“, scheint der Schneemann mich zu fragen.
Ich denke nach. Was wäre mein Leben denn ohne all die Verpflichtungen, Sorgen, Termine und die zu erledigenden Aufgaben? Nun gut, ein paar Sorgen weniger – das wäre nicht schlecht. Aber wenn niemand etwas von mir möchte, keiner nach mir fragt, niemand mich braucht, niemand da ist, dem man Gutes tun kann, wäre das gut? Oft komme ich nach Hause und sehe all die unerledigten Dinge, bin unzufrieden, weil ich nicht Alles geschafft habe. Sollte ich etwas ändern? Vielleicht sollte ich einfach die schönen Seiten meines Lebens betrachten. Das sind eigentlich ganz schön Viele. Ich werde gebraucht, ich bin jemandem wichtig, ich bin gesund und ich habe ein gutes Leben.
Ich nehme mir vor, hin und wieder das Gute zu sehen und nicht das Schlechte. Das wird wohl nicht einfach werden. Und wenn es wieder schneit, dann baue ich auch einen Schneemann – aber einen ganz Großen und denke dann an den Sinn meines Lebens!
(C) Anke Hilchenbach